Die Musik in Mists of Pandaria: Interview mit Russell Brower
Die Musiksektion von Blizzard wurde um den Soundtrack von World of Warcraft: Mists of Pandaria erweitert. Auf der Seite könnt ihr Anmerkungen der Komponisten lesen, euch Songausschnitte anhören und Alben sowie einzelne Stücke direkt per iTunes herunterladen.
Um euch mehr Einblicke in die Entwicklung dieses (Pandaren-)Ohrenschmauses zu bieten, haben wir mit Senior Director of Audio Russell Brower über den Entstehungsprozess des Mists of Pandaria-Soundtracks und seine Ansichten zur Funktion von Musik in Spielen gesprochen. Nachfolgend findet ihr das komplette Interview!
F: Die Aufgabe von Sound und Musik in Videospielen ist nicht immer klar umrissen, selbst wenn wir nur unsere Spiele betrachten. Möchtest du den Leuten ein wenig über die Arbeit deines Teams erzählen?
A: Ich glaube, dass unsere Spieler die Rolle von Sound und Musik in Spielen sehr zu schätzen wissen und viele sich einen Blizzard-Titel ohne unseren Beitrag gar nicht vorstellen können. Der Audiobereich ist nicht immer ein maßgeblicher Teil der Spielerfahrung, aber Blizzard würde niemals in einem Spiel darauf verzichten, genauso, wie wir niemals ein Spiel ohne großartige Videosequenzen veröffentlichen würden.
Unsere Gesellschaft ist sehr auf visuelle Reize ausgerichtet und wir halten unser Gehör für etwas Selbstverständliches, solange es uns zur Verfügung steht. Unser Hörsinn ist der erste Sinn, der im Mutterleib aktiv ist, und wenn alles normal verläuft, bleibt er uns den Rest unseres Lebens auch erhalten. Marty O’Donnell, ein guter Freund und ein Komponist bei Bungie, drückt es folgendermaßen aus: "Das Ohr blinzelt nicht." Klänge sorgen ununterbrochen dafür, dass man richtig in die Spielwelt eintaucht. Im Gegensatz zu Stimmen müssen Sound und Musik nicht lokalisiert werden, da sie eine universelle Sprache darstellen.
Das Team bemüht sich außerdem, die Leute davon abzuhalten, den Sound auszuschalten. Hardcore-Spieler, die ihren Sound niemals aktiviert haben, da sie sich in Sprachchats befinden oder die volle Konzentration auf das Spiel richten wollen, wird es immer geben. Das ist eine Herausforderung, die wir noch bestehen müssen, aber da die Leute heute durch Social Gaming in engeren Kontakt miteinander kommen, wird es nur noch schwieriger, den Soundbereich auch weiterhin immersiv zu gestalten.
F: Hast du den Eindruck, dass Sounds die Spieler oft stören? Worin liegt die Ursache dieser Bedenken?
A: Wir mussten zum Beispiel unsere automatisch wiedergegebenen Soundeffekte etwas dämpfen, damit sich die Leute nicht erschrecken. Manch einer sitzt mit Kopfhörern vor dem Rechner und nach zwei Stunden Installationszeit kommt vom Spiel zum Schluss ein lautes "BUMM". Das hat manche Leute dazu gebracht, die Installation mit abgeschaltetem Sound durchzuführen.
F: Ja, da hast du recht. Wenn ich mir während der Installation in einem anderen Zimmer ein Sandwich mache, höre ich immer diese dröhnenden Abschluss-Sounds und denke mir: "Oh, Mist, ist mein Bücherregal umgefallen?"
A: Beim Patch 4.3 für Cataclysm hörte man beim Abschluss der Installation Hörner, was ein wenig angenehmer war. Ein weiteres Beispiel: VIELE Spieler haben Sindragosas dauerndes Brüllen auf dem Titelbildschirm von Wrath of the Lich King regelrecht gehasst. Als wir uns mit Cataclysm befassten, dachten wir uns: "Oh Mann, nicht schon wieder ein Drachen-Update!" Wir haben dann das World of Warcraft-Team dazu bewegt, ihn weitestgehend ruhig zu halten. Es war ein ziemlicher Kampf, aber dafür gab es hinterher auch viel weniger Beschwerden. Zum neuen MoP-Login-Bildschirm haben wir viele positive Kommentare bekommen. Viele Spieler haben mir auf Twitter mitgeteilt, dass sie vor dem Einloggen sogar gewartet haben, um sich das gesamte Musikstück anzuhören.
F: Welche Instrumentierung habt ihr für den MoP-Soundtrack gewählt? Er klingt ganz anders als das, was man bisher in World of Warcraft-Erweiterungen gehört hat.
A: Statt sie zu ersetzen, haben wir die übliche Klangpalette mit Sounds angereichert. Der Grund dafür liegt in einem Gespräch, das ich in der Frühphase mit Chris Metzen geführt hatte. Wir sahen uns die großartigen Grafiken und die visuellen Konzepte von Pandaria an und Chris sagte: "Die Grafik vermittelt uns, dass wir uns in einer anderen Welt befinden, einem wundersamen Ort, der jedoch möglicherweise von der Allianz und der Horde überrollt werden wird." Seiner Meinung nach benötigten wir eine asiatische Ausrichtung, allerdings sollte der Soundtrack die Spieler daran erinnern, dass wir uns immer noch in Azeroth befinden. Wir sollten uns nicht so weit entfernen, dass es sich nicht mehr wie World of Warcraft anfühlt.
Also haben wir unsere gewohnten episch-orchestralen Klänge beibehalten, ihnen jedoch einige chinesische Instrumente zur Seite gestellt. Eines davon ist die Erhu, so etwas wie eine chinesische Fidel. Sie hat zwei Saiten und einen schon fast stimmhaft anmutenden singenden Klang. Außerdem haben wir die Guzheng verwendet, eine Art Harfe, die jedoch lang ist und flach hingelegt wird. Sie kann sowohl angeschlagen als auch gezupft werden. Das dritte Instrument nennt sich Dizi. Kennt ihr diesen durchdringenden Klang, den man erhält, wenn man auf einem Grashalm pfeift? Die Dizi hat ein Loch mit einer vibrierenden Membran und klingt wie eine Flöte, jedoch mit einem stark surrenden Oberton. Schließlich haben wir noch die Pipa verwendet, bei der es sich mehr oder weniger um eine chinesische Version des Banjos handelt. Mit diesen vier Instrumenten und einigen chinesischen Trommeln konnten wir das nötige asiatische Feeling erzeugen. Darüber hinaus haben wir die Spielweise des Orchesters abgewandelt: Auch bei ansonsten vertrauter Instrumentierung haben wir zwischendurch etwas mehr Glissandi verwendet. Auf gewisse Weise klingt es wie eine Hollywood-Version asiatischer Musik, zum Teil ist jedoch auch authentisch. Die chinesischen Instrumente wurden alle von Meistern Ihres Fachs gespielt.
F: Also habt ihr euch nicht hingesetzt und mal ein bisschen rumgezupft?
A: Auf keinen Fall. Glücklicherweise ist es in Kalifornien nicht schwer, Instrumentenexperten zu finden. Die Musiker waren aus der Region – bis auf die Erhu-Spielerin, die wir aus der Bay Area einfliegen mussten. Sie ist in China ein großer Star, gibt Unterricht und spielt auch Geige. Sie versteht es also, im Hollywood-Stil zu spielen, dabei jedoch auch die Persönlichkeit ihres Instruments einfließen zu lassen. Wir sagten ihr manchmal, sie solle eine Passage authentisch spielen, und beim nächsten Mal, sie solle so spielen wie auf einer Geige. Bei der Bearbeitung mussten wir uns dann entscheiden, da die authentische Version mitunter so stark mit Vibratos oder Verzierungen versehen war, dass sie zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Die Rolle der Musik besteht darin, das Spiel zu begleiten und eine Atmosphäre zu erzeugen, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Wenn die Leute zu sehr auf die Musik achten, haben wir unsere Aufgabe nicht erfüllt.
F: Kannst du das weiter ausführen? Welche Rolle spielt die Musik deiner Meinung nach für das Gameplay? Spieler anleiten oder ihnen Hinweise geben – sollte Musik diese Aufgabe im Spiel übernehmen? Wo beeinflusst die Musik die Art, wie wir spielen?
A: Das ist immer unterschiedlich. In unseren Spielen – besonders in World of Warcraft und Diablo – erzeugt die Musik zusätzliche Atmosphäre. Ich denke, dass es bei Diablo etwas mehr um die Stimmung geht, die richtig gruselig sein soll, bis wir zu den Videosequenzen kommen, wo es mehr um Charakterentwicklung geht. Wir haben ein Thema für Diablo und eines für Leah.
In World of Warcraft gibt es davon noch mehr – mit bestimmten Melodiestrukturen und Klangfarben für die Allianz, die Horde und einige der Hauptfiguren. Arthas' Geschichte geht bis zu Warcraft III zurück, wo es vor mehr als 10 Jahren erstmals eine Melodie für Arthas gab, die auch in den Refrain des Lieds "Invincible" eingeflossen ist. Die Strophen sind neu, aber der Ursprung des Refrains liegt mehr als 10 Jahre zurück.
Bei StarCraft sieht die Sache aufgrund des schnellen Gameplays etwas anders aus. Das Spiel ist stark strategisch ausgerichtet, allerdings gibt es häufiger Phasen, in denen man schnell reagieren muss und die Musik im Hintergrund bleiben sollte. Die Kartenmusik dient im Grunde genommen nur dazu, das Spiel spannender zu machen – eine richtig wichtige Rolle übernimmt die musikalische Untermalung bei StarCraft dann in den Videosequenzen. Seit dem ersten StarCraft-Spiel hat jede Spezies ein Thema mit hohem Wiedererkennungswert, das auch in den Karten und den Zwischensequenzen zum Ausdruck kommt. Bei Wings of Liberty haben wir mit der Einführung von Themen für Charaktere begonnen. Obwohl Raynor den Teil der Terraner repräsentiert, der sich Truckermusik für Weltraumcowboys anhört, hat er in Wings of Liberty sein eigenes Thema erhalten. Auch für die Zerg haben wir in Wings of Liberty einiges eingeführt, was sich in Heart of the Swarm weiter entfaltet. In Legacy of the Void wird für die Protoss dasselbe gelten. Für Zeratul gibt es in Wings of Liberty eine Melodie, die wir weiterverwenden und entwickeln werden.
Die Rolle der Musik, besonders in World of Warcraft, entspricht also am ehesten ihrer Funktion in einem Film, da wir mit Musik das vermitteln, wofür man andernfalls zu viele Worte brauchen würde. Beim Lesen eines Buchs kann man sich in die Figuren hineinversetzen und hören, was sie denken. Bei einem Spiel haben wir diesen Luxus nicht, da die Charaktere zu viel reden müssten, was lokalisiert werden müsste und das Spiel bremsen würde. Gerade Letzteres sollte so selten wie möglich geschehen. Musik muss nicht übersetzt werden. Manche Leute finden, sie vermittele, wie man sich fühlen soll, was manchmal auch stimmen mag, aber manchmal verstärkt sie auch das, was bereits vorhanden ist.
F: Ja. Man sieht zum Beispiel ein grandioses Panorama und die Musik betont das Ausmaß der Szene.
A: Doch alle Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden, also macht man manchmal auch etwas ganz anderes. In StarCraft gab es Momente, in denen ein Charakter etwas Schlimmes tut und sich dabei Opernmusik anhört – der klassische Kontrast eines Gangsterfilms. Genauso könnte einige Musik in StarCraft – ein Science-Fiction-Spiel, wohlgemerkt – auch in einem Italowestern laufen. Das ist ein nettes Spiel mit den Genres, besonders dann, wenn man es nicht erwartet.
F: Ein Titel des Soundtracks von Mists of Pandaria namens "Der Weg des Wanderers" klingt, als enthalte er eine konstruierte Sprache. Ist das so?
A: Ja. Das Creative-Development-Team hatte schon begonnen, sich eine Sprache für bestimmte NSC-Antworten auszudenken, und wir baten die Teammitglieder dann, einige von Lead Quest Designer Dave Kosak geschriebene Texte weiterzuentwickeln. Hierbei handelt es sich um die Geschichte von Liu Lang und der Schildkröte Shen-zin Su, die erzählt, warum Liu Lang Pandaria verließ und wieder zurückkehrte. Inspiriert wurde ich dabei von einem Video, in dem Dave die Geschichte von Liu Lang erzählte. Ich stellte fest, dass ein Teil des Spielerlebnisses darin besteht, nicht unbedingt zu merken, dass man sich auf einer Schildkröte befindet, bis man in einer kleinen Videosequenz in einen Ballon steigt, über die Insel fliegt und zum ersten Mal ihr Gesicht erblickt. Also dachte ich mir, warum sollten wir nicht einfach ein Lied schreiben, das Liu Langs Geschichte erzählt?
Als ich klein war, habe ich im Chor ein japanisches Lied namens "Sakura" gelernt, das sich Kinder gut merken konnten. Nun wollte ich also ein Pandaren-Äquivalent finden – eine Melodie, die in ihrer Einfachheit aus einem uralten Volkslied stammen könnte, dessen Text sich über die Jahrhunderte hinweg verändert hat. Da in diesem Fall Lehrensucher Cho Liu Langs Part singen würde, baten wir das Creative-Development-Team, den Kern der Geschichte zu übersetzen. Danach sind wir sie mit dem Lokalisierungsteam durchgegangen, um sicherzustellen, dass wir nicht unbeabsichtigt auf Chinesisch oder in einer anderen Sprache etwas Anstößiges sagen.
Dave war so begeistert, dass er eine komplette Questreihe zum Lied erstellt hat, die nur zu bestimmten Zeiten verfügbar ist. An einem kleinen Strand trifft man Lehrensucher Cho, setzt sich und er singt einem das Lied vor, während er Papierschiffe aufs Wasser setzt. Das ist einfach toll! Natürlich konzentrieren wir uns vor allem auf das Gameplay, aber Spielern, die ein wenig abseits der ausgetretenen Pfade wandeln, bietet sich hier ein ganz besonderer Moment.
Als ich bei Disney gearbeitet habe, nannte man so etwas "Orte der Entdeckung". Wenn man in Disneyland um die richtige Ecke biegt, findet man Schneewittchens Wunschbrunnen, aus dem man sie singen hört. Das ist nur eine kleine Sache, die kein Geld einbringt, aber einfach Teil des Konzepts ist. Bei Blizzard sehen wir das ähnlich: Wir wollen den Spielern neben den großen Momenten auch kleine Entdeckungen bieten.
F: Wie tauscht ihr in eurem Team Inspirationen aus? Du hast erwähnt, dass dich die Grafiken inspiriert haben. An welchem Punkt der Entwicklung erhaltet ihr normalerweise Konzeptgrafiken?
A: So früh wie möglich. Vor Beginn der Produktion müssen wir unsere Hausaufgaben schon gemacht haben. Wenn es dann richtig losgeht, können wir uns nichts mehr ausdenken, sondern müssen die Dinge einbauen, da alles ziemlich schnell geht. Sobald wir eine erste Ahnung von einer neuen Erweiterung, einem anstehenden Patch oder einer neuen Funktion haben, besetzen wir die Rollen. Wir sagen uns beispielsweise: "Die nächste Erweiterung dreht sich um die Zerg, also brauchen wir wesentlich mehr gutturale Klänge. Dieses Vokabular müssen wir erweitern."
F: Und dann beginnt die Rollenverteilung?
A: Bei Mists of Pandaria war das Casting eine ziemlich große Sache. Wir haben uns an die Screen Actor’s Guild gewandt, um Zugang zu den besten Schauspielern mit den authentischsten Akzenten zu erhalten. Und obwohl wir uns für einige der Instrumente wahre Meister herangeholt hatten, mussten wir uns erst einmal aneignen, wie man dafür schreibt. Die Instrumente sind auf traditionelle chinesische Musik ausgelegt und ihre Tonumfänge decken nicht unbedingt immer alles ab, was wir von vertrauten Instrumenten gewohnt sind. Teilweise mussten wir ziemlich rumtricksen: Die Erhu-Spielerin ließ beispielsweise bei einer bestimmten Phrase zwei Noten aus, die wir dann auf einer anderen Spur einspielten, nachdem sie das Instrument umgestimmt hatte. Bei der Pipa, dem chinesischen Banjo, konnten wir einen Großteil für den Tonumfang dieses Instruments schreiben, allerdings gab es einige Stellen, die unbedingt etwas tiefer liegen sollten. [Flüstert verschwörerisch] Dafür haben wir dann ein Banjo benutzt. Aber erzählt es keinem weiter!
Und wer hätte gedacht, dass die singende Säge ein traditionelles chinesisches Instrument ist? Nun ja, eigentlich ist sie es auch nicht, aber ich war auf der Suche nach einem ganz bestimmten Klang ...
In seiner Geschichte hatte Dave Kosak erzählt, wie die Jinyu ihre Stäbe ins Wasser stellen, um den Fluss zu befragen, was zu einem Soundtracktitel namens "Befragt den Fluss" führte. Dieser hohe, wabernde Klang ist eine Craftsman-Säge von Sears. Der Musiker legt den Griff zwischen die Beine, wobei die Zähne in seine Richtung zeigen, und streicht die Säge mit einem Geigenbogen an. Die Tonhöhe ändert er, indem er das Blatt biegt und vibrieren lässt. Vielleicht habt ihr ja schon mal von einem Theremin gehört, aber der Klang der Säge ist schöner und vokaler, da er nicht elektronisch erzeugt wird und daher auch nicht statisch ist. Ich hatte ein bisschen Angst, dass die Leute es für ein Theremin halten und "Alarm im Weltall"-Witze machen würden. Bisher hat es aber niemand erwähnt, also scheint es funktioniert zu haben. Immer wenn man sich in Mists of Pandaria in der Nähe eines Gewässers aufhält, das für die Jinyu oder Shaohao mystisch sein oder Wissen über die Zukunft oder Visionen der Vergangenheit bereithalten könnte, hört man diese singende Säge. Wir haben übrigens zwei von unserem Musiker liebevoll "Alt"- und "Tenor"-Säge genannte Ausführungen mit 35 und 50 Zentimetern Länge verwendet.
F: Im Mists of Pandaria-Soundtrack vermischt ihr mehrere Themen und geht von einem Stück zum nächsten über. Soll das die Zonenübergänge im Spiel widerspiegeln oder habt ihr die Musik als ein durchgehendes Stück komponiert?
A: Für Mists of Pandaria haben wir 7,5 Stunden Musik geschrieben, wodurch World of Warcraft nun insgesamt 45 Stunden Musik enthält, darunter mehr als 12 Stunden atmosphärische Musik (die man sich übrigens in einer Playlist sehr gut anhören kann). All diese Musik besteht aus Aberhunderten einzelner Abschnitte. Bei Mists of Pandaria habe ich übrigens einen persönlichen Meilenstein erreicht und mein 1000. Stück für World of Warcraft geschrieben.
Unser erster Soundtrack für das originale oder "klassische" World of Warcraft enthält eine Menge tolle und kultige Musik, auf der wir immer noch aufbauen. Allerdings war sie in mehr oder weniger alphabetisch sortierte Gruppen eingeteilt – Stadtthemen, große Spielmomente, Zonentitel usw. In einem gewissen Sinne handelt es sich um ein historisches Dokument, war jedoch nicht als Album arrangiert. Ab The Burning Crusade wollten wir unseren Alben auch außerhalb des Spiels eine Daseinsberechtigung geben.
Das erste World of Warcraft enthielt insgesamt nur ungefähr zwei Stunden Musik. Auf dem Album musste also fast der gesamte Soundtrack enthalten sein. Mittlerweile gibt es sechs bis acht Stunden Musik pro Erweiterung und ungefähr eine Stunde pro Patch. Ulduar enthielt fast zwei Stunden. Von diesen sieben Stunden ist nicht alles außerhalb des Spiels interessant, da einiges nur dazu gedacht ist, Atmosphäre zu erzeugen. Allerdings können wir mit wenigen Noten ein mentales Bild zeichnen und Titel in eine "erzählerische" Reihenfolge bringen, die auf miteinander verbundenen Ideen und Konzepten basiert. Ein mehrere Minuten langes Stück kann aus bis zu sechs Abschnitten bestehen. Wir verwenden viel Zeit darauf, schöne Übergänge hinzubekommen und Möglichkeiten zu finden, mit dem Wechsel zwischen den Abschnitten eine Geschichte zu erzählen, ohne dass es für die Zuhörer störend wird.
Außerdem habe ich das Album als Ganzes im Blick und möchte sicherstellen, dass es nicht zu viele langsame oder laute Stücke nacheinander enthält. Wenn alles episch und schwungvoll ist, verlieren die Begriffe "episch" und "schwungvoll" irgendwann ihre Bedeutung. Bei Musik geht es um den Kontrast: Etwas Lautes wirkt lauter, wenn es vorher still war. Ich male buchstäblich einen Graphen auf das Papier und denke mir dann: "Diese Stücke ergeben eine schöne Achterbahn, dann bauen wir etwas Großes auf, kurz vor dem Ende wird es wieder langsam und zum Schluss drehen wir dann richtig auf." Es ist eine bewusste Entscheidung, dass das Album auch außerhalb des Spiels funktionieren soll, damit die Leute es sich im Auto anhören können, wenn sie ein Stück von World of Warcraft dabeihaben möchten.
Bei der Zusammenstellung der Musik für das Album zu Burning Crusade hatte ich die Idee, etwas von der atmosphärischen Musik zu verwenden, da gerade diese Titel auch für sich genommen großartig und schön sind. Außerdem hört man mehr davon als von der "eigentlichen" Musik, da die Atmosphäre dauerhaft besteht. Die Musik taucht auf eine gewisse Art aus der Atmosphäre auf und verschwindet wieder darin. Für The Burning Crusade hat Derek Duke diese wunderbare Draenei-Musik geschrieben. Sie klingt stark nach einer Pastorale, um die schimmernden und leuchtenden Kristalle zu symbolisieren, die den Draenei als Energiequelle dienen. Das ist schon fast geistliche Musik. Auf dem Soundtrack habe ich dem Stück ein wenig atmosphärische Musik aus dem Draenei-Startgebiet und danach aus der Exodar vorangestellt, was sich von da an zu einer Art Tradition entwickelt hat. So bin ich auch bei den Soundtrackalben der anderen Spielereihen vorgegangen – bei World of Warcraft funktioniert es allerdings am besten.
Die Alben haben normalerweise keine Pausen, außer wenn eine bestimmte Wirkung erzielt werden soll. Bei The Burning Crusade gibt es nach dem fast schon unerwarteten Stück "Tavernen" nur eine zweisekündige Pause vor "Wehklagen der Hochgeborenen". Das Album endet nicht euphorisch, sondern eher sehnsüchtig.
Für Mists of Pandaria hat Jeremy Soule ein Stück geschrieben, das im Rahmen der täglichen Questreihe verwendet wurde, bei der man auf einer Wolkenschlange reitet. Man muss eine Art Bombardierung durchführen und erhält am Ende der Questreihe ein Wolkenschlangen-Reittier. Im Juni habe ich das Stück bei Nokia dirigiert, und da es ziemlich beeindruckend ist, haben wir es ganz bewusst als Krönung des Albums verwendet.
F: Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, Russell! Der Soundtrack hört sich wundervoll an und wir freuen uns schon darauf, wenn wir wieder über neue Blizzard-Musik berichten können.